Laufsport

Europameister Mario Bauernfeind im Interview

Von einem Wunder zu sprechen, wäre zu hoch gegriffen, eine kleine Sensation ist es aber allemal, für die Mario Bauernfeind von der Landespolizeidirektion Wien bei der Europäischen Polizeimeisterschaft (EPM) im Marathonlauf Anfang Oktober im niederländischen Eindhoven gesorgt hat. 28 Jahre nach Helmut Schmuck, der heute als Trainer unseres Laufkaders fungiert, lief der 31-jährige Wiener zum Sieg und sicherte sich damit den Titel „Polizei-Europameister“. Mit ÖPolSV-Pressereferenten Michael Babl sprach der bald zweifache Familienvater über das Rennen seines Lebens, die dazugehörenden Entbehrungen, seine Familie und welchen Stellenwert für ihn der Zusammenhalt im österreichischen Polizei-Nationalteam hat.

 

Mario Bauernfeind auf dem Weg zu Gold. c) Stumptner

Polizei Sport Magazin: Lieber Mario, herzliche Gratulation zum Polizei-Europameistertitel. Mittlerweile sind seit Eindhoven einige Tage vergangen. Hattest du schon Zeit, das Ganze zu realisieren?

Mario Bauernfeind: Vielen Dank, eine Woche nach dem Lauf beginnt man langsam zu realisieren, was man geschafft hat. Ich bin es die Tage nach dem Marathon etwas ruhiger angegangen, um mich nach der sehr intensiven und anstrengenden Vorbereitung mental und körperlich gut zu erholen. Bis man das Geschehene komplett realisiert hat, wird es jedoch noch ein paar Tage brauchen.

Nimm uns doch bitte einmal gedanklich mit in das Rennen. Lief es von Anfang wie du es dir geplant hattest?

Das Rennen verlief so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Alles war angerichtet für einen guten und schnellen Marathon. Die Bedingungen waren mit 10 Grad und leichtem Wind nahezu perfekt und ich fühlte mich gut. Vom ersten Meter an spürte ich, dass ich gute Beine habe und ich musste mich speziell auf den ersten 21 Kilometern bremsen. Dadurch konnte ich sehr viel Energie für die zweite Rennhälfte sparen, sodass ich diese sogar schneller laufen konnte. Die vielen Zuschauer entlang der Strecke machten eine wahnsinnig gute Stimmung, die mir die letzten Kilometer kurzweilig vorkommen ließen. Der Zielsprint war zwar sehr hart, aber das Wissen, gerade Polizei-Europameister geworden zu sein, tröstete über die Schmerzen hinweg.

Schwerer Umhang – Mario holte Gold und Silber. c) Stumptner

Wann hast du realisiert, dass dich niemand mehr einholen wird und du dir in einer Disziplin, die nicht gerade eine Österreicher-Domäne ist, den Titel holen wirst?

Ich hatte während des gesamten Rennens keinerlei Informationen, wie groß mein Vorsprung auf die Verfolger war. Ein paar Kilometer vor dem Ziel schaute ich auf einer langen Geraden kurz zurück, um Ausschau zu halten. Als ich keine Verfolger gesehen habe, wusste ich schon, dass es reichen würde. Helmut Schmuck hat vor 28 Jahren in Florenz zuletzt den Marathon bei den Polizei-Europameisterschaften für Österreich gewonnen. Dass ich in die Fußstapfen eines solch großartigen Sportlers treten darf, macht mich sehr stolz, weil er als Trainer und Betreuer auch in Eindhoven war und mich an der Strecke anfeuerte.

Wie man hört, waren die anderen Nationen vom starken Teamspirit der österreichischen Mannschaft bei der EPM beeindruckt. Heli Schmuck hast du ja als Teil dieses Teams schon angesprochen. Auch wenn man unsere Equipe beobachtet, wirkt es eher als würdet ihr in einer Teamsportart starten und nicht in einer klassischen Einzeldisziplin wie dem Marathonlauf. Von bitterer Rivalität also keine Spur. Wie kommt es dazu und welche Rolle spielen deine Kollegen für dich?

Wir sind eine eingeschworene Gruppe, die sich schon seit mehreren Jahren kennt. Bei den gemeinsamen Trainingskursen wachsen wir immer mehr zusammen und verbringen eine richtig coole Zeit. Aber nicht nur in den Trainingswochen, sondern auch privat unternehmen wir viel zusammen. Silvesterfeiern, Trainingslager in Portugal, Staatsmeisterschaftsläufe, Konzertbesuche oder auch Hochzeitsfeiern sind in den letzten Jahren nur einige wenige Aktivitäten gewesen, die wir gemeinsam machten. Dabei steht immer der Spaß im Vordergrund. Meine Lachmuskeln werden in dieser Zeit genauso trainiert, wie mein gesamter Körper bei den harten Trainingseinheiten. Ich glaube, dass eine Rivalität innerhalb des Laufkaders die individuelle Leistung schädigen würde. Als Athlet wünscht man sich immer gute Trainingspartner an seiner Seite, um sich bei den Laufeinheiten gemeinsam zu Höchstleistungen zu pushen. Weiters kann man in den Gesprächen mit anderen Top-Athleten, wie sie bei uns im Laufkader sind, für sich selbst auch sehr viel mitnehmen und lernen. Dass wir in Eindhoven für Österreich die Silbermedaille in der Teamwertung holen konnten, ist unglaublich und das Ergebnis jahrelanger Teamarbeit.

Diesen Teamgeist kann man auch anhand eurer Social-Media-Postings deutlich erkennen und es macht einfach Freude euch zu folgen. Via Instagram hast du deine Follower auch an der intensiven Vorbereitung für die EPM teilhaben lassen. Welche Entbehrungen musstest du und deine Familie dabei in Kauf nehmen?

Die Vorbereitung war wirklich sehr intensiv, in allen Belangen. Dienstlich waren extrem viele Überstunden zu leisten, weil die Vorbereitung in die Haupturlaubszeit von Juli bis September fiel. Zahlreiche Nacht- und 24-Stunden-Dienste waren nötig, um den Dienstbetrieb in der Verkehrsleitzentrale der Landesverkehrsabteilung in Wien aufrecht zu halten. Großen Dank an dieser Stelle auch an meine Kollegen, die mich dabei unterstützten, meine Trainings auch in der Dienstzeit unterzubringen. Meine Familie litt natürlich unter meiner Abwesenheit. Ich muss mich auch gleich bei meinen Eltern und Schwiegereltern bedanken, die meine Frau Jasmin und mich bei der Betreuung unserer gemeinsamen Tochter Leonie unterstützten. Dass meine Frau derzeit schwanger ist und wir im Februar unser zweites Kind erwarten, machte die Vorbereitung sicherlich nicht einfacher. Jeder Tag wurde von 6 bis 20 Uhr exakt durchgeplant, dass ich meine Trainingseinheiten zur bestmöglichen Zeit abhalten konnte. Die Entbehrungen, die ich in den 14 Wochen hatte, kann sich wohl jeder vorstellen. Aber genau das trieb mich in der gesamten Vorbereitung voran. Ich wollte meiner Familie durch meine Leistungen etwas zurückgeben. Sie sollten sehen, dass mit diesem Aufwand, den ich betreibe, gute Bestleistungen und zur Krönung auch der Europameisterschaftstitel im Marathon möglich sind.

Das ist dir definitiv gelungen, deine Familie kann richtig stolz auf dich sein. Nach deinem Sieg über die Halbmarathon-Distanz beim Vienna City Marathon stiegen natürlich die Erwartungen an dich – vermutlich auch von dir selbst. Wie hast du es geschafft, dem Druck standzuhalten?

Mit Druck kann ich mittlerweile sehr gut umgehen und verspüre ihn wenig bis gar nicht mehr. In den letzten Wochen vor dem Marathon war ich so locker wie noch nie, weil ich gewusst habe, dass die Laufform passt und ich am 9. Oktober 2022 in Eindhoven einfach das machen darf, was ich liebe. Das Vertrauen, dass mich mein Körper bei wichtigen Wettkämpfen nicht im Stich lässt, lässt diese Lockerheit zu. Ich habe in meiner Karriere mehr erreicht als ich mir vor 10 Jahren jemals erträumen konnte. Alles was in den nächsten Jahren noch kommt, ist ein großer Bonus und ich könnte jederzeit ohne schlechtem Gewissen in Laufpension gehen. Der Spaß am Sport und an der Bewegung und die damit erreichte Anerkennung von Familie, Freunde und über Social Media treiben mich voran, diese Anstrengungen jeden Tag auf mich zu nehmen.

In die Laufpension entlassen wir dich so schnell aber nicht. 😉 Das Saisonhighlight hast du nun erfolgreich hinter dich gebracht. Was steht heuer noch am Plan?

Ich möchte meine aktuelle Laufform noch nutzen, um den einen oder anderen Wettkampf zu laufen, obwohl ich meinen Körper die letzten 14 Wochen richtig geschunden habe. Die Goldmedaille in der Teamwertung mit meinen Vereinskollegen aus Wien bei den Halbmarathon-Staatsmeisterschaften in Linz am 23. Oktober ist heuer noch ein großes Ziel. Wenn ich danach noch Energie habe, werde ich eine kurze Crosslaufsaison einstreuen.

Wenn man deine Wettkämpfe verfolgt, wird schnell klar, dass die Leistungskurve stark nach oben zeigt und der Zenit noch nicht erreicht ist. Ein wenig vorweggenommen hast du ja die Antwort auf unsere letzte Frage schon. Aber noch einmal konkret gefragt: Welche Ziele hast du dir für die kommende Saison und für die langfristige Zukunft noch gesetzt?

Die Saisonplanung für die nächste Saison habe ich noch nicht begonnen. Die letzten Ergebnisse haben definitiv die Ziele für die kommende Saison nach oben geschraubt. Vieles wird davon abhängig sein, ob ich zusätzliche Dienstfreistellungen bekomme und wie sich die Geburt meines zweiten Kindes im Februar auf das Training auswirkt. Das Ziel für mich kann nur sein, meine persönlichen Bestleistungen ständig zu verbessern. Die Erfolge und Siege kommen dann ganz von alleine.

Herzlichen Dank für das nette Interview und weiterhin Alles Gute!

 

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